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Die Vereine im Ahrtal haben ihren Optimismus nicht verloren

In den zwei Jahren nach der Flut haben die betroffenen Vereine schon einen langen Weg zurückgelegt – aber auch noch einen langen Weg vor sich
Harmen Eckert (vorne) kann mit der DLRG Ortsgruppe Bad Neuenahr das Freibad Ahrweiler für Schwimmkurse und -training nutzen. Trotz großer Schäden (kleines Bild) konnte das Bad schon im Sommer 2022 wieder eröffnet werden. Fotos: Ahr-Foto Vollrath

Trauer, Dankbarkeit, Verzweiflung, Hoffnung: Die Bandbreite der Emotionen, die die Menschen im Ahrtal seit der verheerenden Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli 2021 durchleben mussten, könnte größer kaum sein. In den ersten Wochen nach der Flut war das Ahrtal Zentrum der nationalen, oft sogar der internationalen Medienberichterstattung, doch seitdem ist es deutlich ruhiger geworden. Jetzt, zwei Jahre nach der Flut, sprechen wir mit einigen Vertreter*innen von flutbetroffenen Vereinen, wie es ihnen persönlich und ihrem Verein seitdem ergangen ist.

Peter Zimmermann ist Vorsitzender der SG Ahrtal. Wie im gesamten Ahrtal waren auch bei seinem Verein alle Sportstätten von einem Tag auf den anderen zerstört. Die Vereinsausstattung, wie Vereinsheim und Sportgeräte hat die Flut ebenfalls nicht überlebt. An Sport war zunächst überhaupt nicht zu denken, denn viele der Vereinsmitglieder haben auch privat alles verloren. Wer nicht selbst betroffen ist, hilft bei den Aufräumarbeiten von Familie oder Freunden. Doch bei der SG Ahrtal fand schon 14 Tage nach der Flut wieder das erste Training der Herrenmannschaft statt. „Wir durften den Platz in Reifferscheid nutzen. Fast alle Spieler waren direkt wieder da. Die Jungs haben das als Ausgleich zum Aufräumen gebraucht“, berichtet Zimmermann. „Die ersten Treffen auf der grünen Wiese oberhalb des Ahrtals dienten zunächst mehr als Seelenbalsam als für körperliche Bewegung. Wir haben schnell gemerkt, wie gut unseren Teilnehmern die Ablenkung in der Sport-Gruppe tut“, unterstreicht auch Sabine Schenke, Geschäftsführerin beim TuS Ahrweiler. Bei den ersten gemeinsamen Sporteinheiten habe der soziale Aspekt die wichtigste Rolle gespielt.

Nach und nach versuchten die betroffenen Vereine, ihr Vereinsleben und den Sport wieder auf die Beine zu stellen. Ohne Sportstätten vor Ort mussten sie dabei oft kreative Lösungen suchen oder die Sportler*innen weitere Fahrtstrecken in Kauf nehmen. Trotz aller Widrigkeiten hielt der Großteil der Mitglieder den Vereinen die Stange. Peter Zimmermann nennt einen E-Jugendlichen, der nach der Flut zunächst in Sinzig wohnte und zu jedem Training 45 Minuten Fahrstrecke zurücklegen musste, als besonders positives Beispiel. Im Gegensatz zum allgemeinen Trend berichtet der Vorsitzende der SG Bachem/Walporzheim, Edgar Flohe: „Unsere Seniorenmannschaften sind zu jedem Training 30 km nach Bad Breisig gefahren. Für die rund 120 Kinder im Verein war der logistische Aufwand aber zu groß, die sind uns leider alle weggebrochen.“  

Schwierige Schwimmbadsituation

Besonders das Fehlen von Schwimmstätten ist eine große Herausforderung im Ahrtal. Dass diese fürs Schwimmenlernen, den Schul-, Schwimm- und Gesundheitssport sowie fürs öffentliche Baden elementare Bestandteile der Daseinsvorsorge darstellen, weiß auch Harmen Eckert, Vorsitzender der DLRG-Ortsgruppe.

Glücklicherweise erhielt die DLRG ab Anfang 2022 die Möglichkeit, Schwimmkurse und -training im Schwimmbad des Gymnasiums auf dem Calvarienberg und in den Römer-Thermen in Bad Breisig zu absolvieren. „Die örtlichen Gegebenheiten erlauben aber nur einen eingeschränkten Trainingsbetrieb und die Nachfrage an Anfänger-Schwimmkursen übersteigt die Kapazität deutlich“, nennt Eckert, einige der Probleme. Auch Schulschwimmen findet bisher fast gar nicht statt. Der DLRG-Vorsitzende befürchtet, dass die Quote der Nichtschwimmer im Ahrtal dadurch deutlich steigen könnte.

Abhilfe sollte in diesem Jahr ein „Schwimmmobil“ schaffen, ein Sattelschlepper mit Minischwimmbad. „Das war zwar ein tolles Angebot, aber leider technisch noch nicht ganz ausgereift. Die Anforderungen, die das Gesundheitsamt zu Recht an ein Schwimmbad hat, konnten nicht erfüllt werden“, blickt Eckert resigniert zurück. Die Mühe, die auch die Stadtverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler in die Organisation dieses Projekts gesteckt hat, war leider vergeblich. Positiv hingegen ist die neue Abteilung „Einsatz“, die die DLRG Bad Neuenahr-Ahrweiler nach der Flut aufzubauen begann. „Damit können wir demnächst auch im Katastrophenfall helfen“, freut sich Eckert.

Seit der Wiedereröffnung des Freibades Ahrweiler im Sommer 2022 hat sich die Situation zumindest in den Sommermonaten etwas entspannt. „Es dauert aber noch mindestens fünf Jahre, bis es im Ahrtal wieder ein richtiges Hallenbad gibt“, blickt Eckert ernüchtert in die nahe Zukunft.

Alles in allem läuft der Wiederaufbau der Sportstätten eher schleppend an. Erste Sportstätten, wie beispielsweise der Mittelplatz des Apollinarisstadions in Bad Neuenahr, wurden zwar wieder eröffnet und an verschiedenen Orten stehen provisorische Sportzelte. Dennoch ist noch immer viel Improvisation auf Vereinsseite gefragt. „Natürlich wünschen wir uns, dass der Wiederaufbau schneller geht, aber wir müssen auch geduldig sein. Es gibt einfach Dinge, die sind noch wichtiger als Fußball“, so Peter Zimmermann von der SG Ahrtal fast schon demütig. Einfacher ging es oft, wenn die bürokratischen Entscheidungsprozesse erst gar nicht abgewartet wurden. „Wir haben mit vielen Mitgliedern und helfenden Vereinen aus ganz Deutschland eigenhändig die Laufbahn vom Schlamm befreit und die Weitsprunggruben in Zusammenarbeit mit dem ABC wieder hergerichtet. Auch die Bogenschießanlage ist durch den großartigen Einsatz unserer Sportler jetzt fast schöner als vorher. Manchmal muss man einfach machen“, fasst Sabine Schenke begeistert zusammen. Dennoch bewerten die Vereine die Kommunikation mit der Politik überwiegend als positiv.

Große Solidarität und neuer Zusammenhalt

Allen Widrigkeiten zum Trotz, ans Aufgeben denkt keiner der Vereine im Ahrtal. Zum einen wissen die Vereinsverantwortlichen um die soziale Bedeutung des Sports, besonders für Kinder und Jugendliche, zum anderen hat die Flut, so schrecklich sie auch war, auch Positives bewirkt. An vielen Stellen haben sich Vereine zusammengefunden und sind Projekte gemeinsam angegangen. So berichtet Sabine Schenke von einer Zusammenarbeit mit dem Ahrweiler BC und dem SC 13 Bad Neuenahr: „Im Rahmen der Stadionsanierung planen wir gemeinsam eine neue Flutlichtanlage und eine dringend benötigte Erweiterung der Umkleiden am Apollinarisstadion. Das wäre so vorher nicht denkbar gewesen.“ Und nicht nur vor Ort war die Solidarität groß. Aus ganz Deutschland kamen Hilfsangebote und Spenden von anderen Vereinen. Peter Zimmermann bekommt immer noch Gänsehaut, wenn er daran denkt: „Ohne diese Solidarität wären wir noch lange nicht in der Position, in der wir jetzt sind.“

Auch der Sportbund Rheinland (SBR) hat seinen Beitrag dazu geleistet, dass die Vereine im Ahrtal optimistisch in die Zukunft blicken können. „Der SBR war uns eine riesige Unterstützung und bei Fragen und Problemen jederzeit ansprechbar“, dankt Sabine Schenke allen voran der stellvertretenden Geschäftsführerin Susanne Weber, die sich beim SBR um die flutgeschädigten Vereine kümmert.

Doch wie wird die Zukunft im Ahrtal aussehen? Viele Anregungen und Vorschläge dazu sind in der Bedarfsanalyse zum Wiederaufbau der Sportanlagen an der Ahr, die das Institut für Sportstättenentwicklung Trier (ISE) und die Hochschule Koblenz gemeinsam mit dem SBR durchgeführt hat, zu finden. Als positives Beispiel wird dabei immer wieder der neue interkommunale Kunstrasenplatz der SG Ahrtal genannt, bei dem kürzlich der Spatenstich erfolgte. „Wir haben uns in großer Runde zusammengesetzt und alle an einem Strang gezogen. Wir müssen einfach Synergien schaffen und nachhaltig denken. Mit der gefundenen Lösung sind wir sehr zufrieden“, freut sich Peter Zimmermann auf die neue sportliche Heimat.

Der TuS Ahrweiler kann aktuell von den ehemals über 100 Sportangeboten pro Woche schon wieder 70 anbieten. „Aber Sport in der Sporthalle mit allem Material vor Ort ist schon etwas anderes als im improvisierten Sportzelt“, sagt Schenke und bleibt dabei hoffnungsvoll. Denn auch wenn es zu einigen kommunalen Sportstätten noch immer keine Infos zum Baustart gibt, so soll doch alles wieder bedarfsgerecht aufgebaut werden.

Auch die SG Bachem/Walporzheim ist zuversichtlich. Der „Stadtteilklub“ hofft darauf, dass in Bachem, wo vor der Flut ein Hartplatz existierte, 2024 ein neuer Kunstrasenplatz eröffnet wird. Das würde auch der Jugendabteilung, mit deren Wiederaufbau die Spielgemeinschaft bereits begonnen hat, einen Schub geben. „Das Wichtigste ist, dass wir gesund bleiben und weiter nach vorne schauen“, fasst Edgar Flohe abschließend zusammen. Dominik Stuntz

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