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Grundschulliga Rhein-Lahn: „Kinder für den Sport begeistern!“

Freitagmittag, kurz nach zwölf. In der Sporthalle der Joseph-Mendelssohn-Grundschule in Horchheim herrscht lebhaftes Treiben. Der dumpfe Klang von Basketbällen hallt durch die Halle, vermischt mit freudigen Stimmen von Kindern. Knapp ein Dutzend Grundschüler*innen wirbelt übers Spielfeld, dribbelt, passt, zielt auf den Korb – mit einer Mischung aus Ehrgeiz, Neugier und vor allem einer Menge Spaß.

Was auf den ersten Blick nach einer gewöhnlichen Sportstunde aussieht, ist Teil eines ambitionierten Projekts: der Grundschulliga Rhein-Lahn. Die Basketball-AG, an der die Kinder der Joseph-Mendelssohn-Schule in Koblenz teilnehmen, ist nur eine von vielen in der Region. Die Grundschulliga vereint mittlerweile rund 30 Schulen und ist damit zu einem beispiellosen Modell für sportliche Nachwuchsförderung in der Region geworden – initiiert von einem kleinen Verein mit großen Ideen.

Der Anfang liegt im Jahr 2018. Hans-Rudolf Stieling, engagiertes Mitglied beim BBV Lahnstein, beobachtet mit Sorge den zunehmenden Mangel an Nachwuchsspielern und will diesen aktiv bekämpfen. Über den Basketballverband Rheinland-Pfalz stößt er auf ein Projekt der Gladiators Trier: eine Grundschulliga, die Basketball niedrigschwellig in den Schulalltag integriert. Das Konzept überzeugt ihn sofort. „Ich habe es mir angeschaut und gedacht: Das können wir auch.“ Also machte er sich an die Arbeit.

2019 fällt der Startschuss. Vier Lahnsteiner Schulen sind beim Projektbeginn dabei. Doch schnell wird klar: Ohne geeignete Ausstattung geht es nicht. „Es gab keine kindgerechten Basketbälle, keine höhenverstellbaren Körbe“, erzählt Stieling. Die Lösung: Spenden akquirieren, gezielt Fördermittel beantragen und die Grundschulen mit dem passenden Equipment ausstatten.

Finanzielle Herausforderungen sind nur ein Teil des Ganzen. Ein ebenso großer Knackpunkt: die personelle Umsetzung. Zwar werden die AG-Leitungen in der Regel von den Schulen oder über die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) finanziert. Doch für die Betreuung an Halbtagsschulen, bei denen keine staatliche Finanzierung greift, muss der Verein selbst aufkommen. Dank Sponsoren, Spenden und öffentlicher Zuschüsse, unter anderem durch die Sportbünde, ist das zu stemmen, wie Stieling betont. „Finanziell ist es für jeden Verein machbar – wenn man sich dahinterklemmt. Das eigentliche Problem ist der Mangel an Leuten, die bereit sind, sich zu engagieren.“

Einer, der sich engagiert, ist Tobias Faber. Der Grundschullehramtsstudent ist seit drei Jahren Übungsleiter in der Grundschulliga. An diesem Freitag betreut er die AG in Horchheim. Mit Geduld und Begeisterung bringt er den Kindern die Grundzüge des Basketballs näher, stellt Teams zusammen, motiviert zum fairen Spiel. „Ich kann meine Uni-Termine gut mit der Arbeit hier verbinden – und es macht einfach Spaß. Die Kinder geben einem so viel zurück“, sagt Faber. Der Nebenjob ist nicht nur flexibel, sondern auch erfüllend. Die meisten Neueinsteiger*innen benötigen keine formelle Schulung – „Ich habe mich einfach eingelesen, das Wissen aus dem Studium reicht völlig aus“, meint Faber. Bei Bedarf steht Stieling jedoch mit Rat und Tat zur Seite und empfiehlt als Grundlage die „AlbaThek“ – eine Onlineplattform von Alba Berlin mit anschaulichen Videos für Sporteinheiten im Schulkontext.

Sport an Schulen – für viele eine Selbstverständlichkeit. Für Schulleiterin Jutta Hanssen-Sowa der Grundschule Horchheim sogar ein pädagogisches Muss. „Bewegung ist für Kinder essenziell“, sagt sie. Die Basketball-AG ist in den Stundenplan der sogenannten AG-Stunde eingebettet, bei der sich die Kinder selbst ein Angebot auswählen dürfen. „Wir versuchen, in dieser Zeit möglichst viele unterschiedliche Interessen abzudecken – kreative, musische und natürlich auch sportliche. Bewegung ist immer gut!“ Neben der Grundschulliga kooperiert die Schule im Rahmen des Programms „Sport in Schule und Verein“ auch mit der TuS Horchheim, die eine Yoga-AG für die ersten beiden Klassen anbietet.

Doch die Arbeit in der Grundschulliga bringt auch Herausforderungen mit sich. So unterscheiden sich die Gruppen an Halbtagsschulen oft deutlich von denen an Ganztagsschulen. „An den Halbtagsschulen kommen die Kinder freiwillig in die AG, da ist das Interesse am Sport und der Bewegung meist schon vorhanden“, erklärt Stieling. „In Ganztagsschulen hingegen nehmen viele Kinder teil, die sich das Angebot nicht ausgesucht haben – da ist die Motivation mitunter schwieriger.“ Übungsleiter Tobias Faber bestätigt das aus seiner Erfahrung. Eine mögliche Verbesserung sieht Stieling in einer Öffnung der Ganztagsangebote für Halbtagsschüler*innen – das würde die Gruppendynamik spürbar verändern.

Auch die Suche nach Übungsleiter*innen bleibt ein Dauerbrenner. Zwar erhalten die Studierenden 18 Euro pro AG-Stunde – doch der zeitliche Aufwand relativiert diesen Betrag schnell. „Mit An- und Abfahrt dauert eine Stunde dann oft zwei“, so Stieling. Kein Wunder, dass viele sich anders orientieren. „Ich kann jeden verstehen, der sich einen anderen Nebenjob sucht“, sagt er mit Bedauern. Außerdem beenden die meisten Übungsleiter*innen mit Abschluss des Studiums auch ihre Tätigkeit für die Grundschulliga Rhein-Lahn. Doch ohne sie geht es nicht: Bei rund 30 beteiligten Schulen wird auch in Zukunft jede helfende Hand gebraucht.

Apropos Schulen – das Wachstum der Liga ist bemerkenswert. Schon im zweiten Jahr nach Gründung sind neun Schulen dabei, im dritten Jahr steigt die Zahl auf stolze 40.

In dieser Phase beginnt auch die Kooperation mit der Schule in Horchheim. Für Stieling ein klarer Beleg, dass das Projekt den Nerv trifft. Und nicht nur das: Einige Kinder schaffen über die AGs sogar den Sprung in den Vereinssport. Der BBV Lahnstein selbst ist seit Projektstart auf etwa 250 Mitglieder angewachsen – fast eine Vervierfachung. „Auch andere Vereine im Umland profitieren davon. Wo wir aktiv sind, sind die Jugendmannschaften voll“, sagt Stieling nicht ohne Stolz.

Für die Zukunft hat er konkrete Vorstellungen. „Ich wünsche mir, dass noch mehr Sportvereine mitziehen. Auch aus anderen Sportarten. Wenn sich die Organisation auf mehrere Schultern verteilt, ist der Aufwand für den Einzelnen überschaubar – und alle profitieren davon.“ Die Vision ist klar: Kinder sollen frühzeitig und spielerisch für Bewegung begeistert werden – egal ob mit Basketball, Fußball oder Tanzen. „Das Wichtigste für mich ist, Kinder für den Sport zu begeistern!“

In der Horchheimer Sporthalle endet die AG langsam. Tobias Faber ruft die Kinder zusammen, sie bilden einen Kreis. Alle Hände wandern übereinander in die Mitte. Dann ein lauter Ruf, wie aus einer Kehle: „Wir sind ein Team!“ Mit einem breiten Grinsen im Gesicht verabschieden sich die Kinder ins Wochenende.

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