Die erste Olympia-Medaille nach dem Krieg
Rot-Weiß-Koblenz schreibt mitseinen Leichtathleten rheinland-pfälzische Sportgeschichte – Geschichten von großen Athleten und großen Trainern



Bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften 1950 wunderte sich ein Zuschauer über die Leistung der 4x400 Meter Staffel des Vereins Rot-Weiß-Koblenz. Nachdem diese den Vorlauf für sich entschieden hatte, rief er erstaunt: „Schau mal die Koblenzer, die qualifizieren sich für den Endlauf!“ Der Koblenzer Trainer Berno Wischmann saß genau neben diesem Zuschauer und erwiderte trocken: „Das war unsere zweite Mannschaft.“ Am Ende gewann die erste Mannschaft Gold, die zweite sicherte sich Bronze. Im weiteren Verlauf der Meisterschaften sammelten die Rot-Weißen noch fünf weitere Titel. Es ist der erste Höhepunkt der Erfolgsgeschichte eines Vereins, welcher in den 50er-Jahren zu den stärksten Deutschlands gehörte. Auch Günther Steines war Mitglied der Siegerstaffel, er sollte später für einen historischen Triumph sorgen.
„Die kamen von überall her hierher. Wenn von einem Verein eine solche Strahlkraft ausgeht, kommen auch die Sportler, da sie sich besseres Training und eine bessere Organisation erhoffen“, erklärt Fredy Schäfer, bekannt als Organisator des Koblenzer Abendsportfestes , die große Zahl an talentierten Athleten, die sich dem Verein damals anschlossen. Die Sportler stammten aus dem ganzen Rheinland, wie Günther Steines und sein Bruder Bert aus Mayen oder Hub Huppertz aus Ahrweiler. Einige Spitzenathleten wie Herbert Koschel wechselten gar von Wolfsburg ans Deutsche Eck. „Rot-Weiß-Koblenz, die neue Leichtathletik Hochburg!“, titelte der „Berliner Abend“ treffend. Dass der Ruf dem Verein vorrauseilte, lag vor allem an zwei Personen mit einer Passion für den Sport – Konnie Herrmann und Berno Wischmann.
Die Stützen des Erfolgs
„Konni Hermann hatte damals alles arrangiert.“, erinnert sich Karl-Heinz Schmalz, Deutscher Meister über 3000-Meter Hindernis 1954. Hermann, Abteilungsleiter bei Rot-Weiß-Koblenz, ist eine der beiden Stützen des Erfolgs. Er organisierte das Training und die Wettkämpfe. Außerdem besorgte er den Athleten Arbeit bei Unternehmen, damit diese sich den Sport überhaupt leisten konnten.
Die beste Entscheidung von Herrmann war wohl das Engagement von Berno Wischmann als Trainer. Nach dem Krieg zog dieser durch die rheinländischen Orte, und trainierte den Leichtathletik-Nachwuchs vor Ort. Talente sprach er gezielt an, lockte sie nach Koblenz und baute sie dort zu Spitzenathleten auf. Bald folgte Wischmann dem Ruf der Uni Mainz, um dort das Institut für Leibesübungen aufzubauen. Davon profitierten die Koblenzer Athleten. So konnte Günther Steines in Mainz studieren und fand gleichzeitig beste Trainingsbedingungen vor. Noch bevor man von „Dualer Ausbildung“ für Spitzensportler sprach, praktizierte man bei Rot-Weiß-Koblenz den Spagat zwischen Ausbildung und Sport mit großem Erfolg.
Ohne diese Anstrengungen wären die Sportler gar nicht in der Lage gewesen, Zeit in die Leichtathletik zu investieren. „Viel Geld blieb da nicht übrig. Dafür sind wir ganz gut rumgekommen“, resümiert Schmalz, der 13 Länderkämpfe für Deutschland bestritt und sich mit den großen der Branche maß. Auch sein Verein nahm an prestigeträchtigen Wettkämpfen teil, wie dem Rennen „Quer durch Paris“. Eine ungewöhnliche Staffel, kreuz und quer über alle Seine-Brücken. Wo andere Vereine die 50 Starter gerade so zusammenkratzen konnten, musste Rot-Weiß-Koblenz eine eine Vorauswahl treffen. Fredy Schäfer führte die Staffel 1956 als Schlussläufer auf dem zweiten Platz in das volle Prinzenpark-Stadion. Trotz der Qualität des Team, gelang es bedauerlicherweise nie, die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft zu gewinnen. Drei Mal erreichte der Verein den zweiten Platz. Bei der Heimmeisterschaft 1953 im vollen Stadion Oberwerth, scheiterte man nur knapp am Primus 1860 München.
Rot-Weiß-Koblenz bei Olympischen Spielen
Rot-Weiß-Koblenz war zweifelsfrei eines der Aushängeschilder des rheinland-pfälzischen Sports, auch wegen seinem Erfolg bei den Olympischen Spielen. Insgesamt fünf Athleten entsendete der Club zu den Spielen 1952 und 1956. Marlies Müller hätte die Spiele 1952 in Helsinki beinahe wegen einer Sehnenentzündung verpasst. Auf dem letzten Drücker wurde sie nominiert und schleuderte den Speer auf den 6.Platz. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass sie die Vorbereitung durch die Verletzung fast ganz verpasst hatte. Vier Jahre später in Melbourne ist der jüngere Bruder von Günther Steines, Bert am Start. Dieser lief die 110 Meter Hürden und verpasste das Finale nur knapp, nachdem er unterwegs drei Hürden gerissen hatte. In der Endabrechnung wird er als Siebter geführt.
Herbert Koschel startete bei beiden Spielen. Der Speerwerfer erreichte in Helsinki nur den 11.Platz. Seine große Stunde sollte 1956 schlagen. Mit 35 wurde er schon als zu alt befunden. Doch sein Konkurrent, Heiner Will, ist nervenschwach und so wird Koschel als „moralische Unterstützung“ für Will nominiert. Wills Unsicherheit bestätigt sich. Er verpasst den Endkampf und ist Koschel`s große Chance. Der wirft den Speer im ersten Versuch auf 74,68 Meter - der Bronzerang, zumindest bis zum letzten Durchgang. Denn dann wirft der Norweger Egil Danielsen Weltrekord und verdrängt Koschel vom Podium. Koschel ist jedoch nicht enttäuscht, er ist zu Recht stolz auf das Erreichte.
Günther Steines großes Kunststück
Doch das große Kunststück gelang Günther Steines 1952 in Helsinki. Nachdem über die 800 Meter Distanz nur ein 6. Rang gelang, wollte er es im Finale der 4x400 Meter Staffel unbedingt besser machen. Doch kurz vor seinem Triumph hatte er auch die größte Schrecksekunde seiner Karriere, als er in seine Sporttasche blickte. Bestimmt hat er sie mehrmals durchwühlt auf der Suche nach einem der wichtigsten Utensilien der Leichtathletikkleidung – die Sporthose. Ausgerechnet vor dem Finallauf der Olympischen Spiele! Glücklicherweise war Turner Albert Schwarzmann als Zuschauer auf der Tribüne – und dies in Sportkleidung. Schwarzmann zog kurzerhand seine Hose Haus und gab sie Steines. Rechtzeitig genug zum zweiten Staffelwechsel.
In ihrem Statistik Buch schreibt die IAAF über die 400 Meter Staffel von Helsinki: „In Olympischen Spielen, voll von aufregenden Wettkämpfen, war dieses Rennen wohl das Beste von allen.“ Hauptsächlich wird man den legendären Zweikampf der Jamaikaner gegen die Amerikaner erinnern. Zusammen mit diesen großen Nationen wird Günther Steines losgeschickt. Das Tempo des Amerikaners Gene Cole kann er nicht halten, doch den Jamaikaner Leslie Laing hält er auf Distanz. Die Übergabe an sein Teammitglied klappt perfekt. Am Ende wird es für Deutschland in neuem Europarekord zu Bronze reichen, die beiden großen Nationen sind zu stark. Für Rheinland-Pfalz ein historischer Moment: Die erste Olympische Medaille der Nachkriegszeit. „Es gab damals einen Empfang am Koblenzer Bahnhof für die Olympiateilnehmer. Tausende Menschen waren da“, erinnert sich Fredy Schäfer.
Die Koblenzer Ausnahmestellung in der Leichtathletik-Szene begann zeitgleich mit Berno Wischmanns Wechsel zu dem neu gegründeten USC Mainz Ende der 50er zu schwinden. Fredy Schäfer und Karl-Heinz Schmalz gehören zu den wenigen noch lebenden Akteuren dieser Zeit. Immer wieder telefonieren die beiden miteinander um sich über die alten Zeiten und die damaligen Mitstreiter auszutauschen.
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