Artikel merken

Corona-Krise: Kinder und Jugendliche dürfen nicht zu Verlierern werden

Foto: LSB RLP / iStock / olesiablikai
Seit Mitte März hat sich das Leben von Kindern und Jugendlichen infolge der Corona-Krise dramatisch verändert. Von einem auf den anderen Tag war es nicht mehr möglich, Freunde zu treffen, Sport zu treiben oder weitere Angebote der Jugendarbeit wahrzunehmen. Dabei sind es gerade diese Dinge, die einen positiven Einfluss auf die Entwicklung von Kindern haben. Jugendarbeit bietet Freiräume, in denen sich Kinder und Jugendliche ausprobieren können. Sie messen ihre Fähigkeiten in der Interaktion mit Gleichaltrigen und Lernen durch Nachahmung. Im Austausch mit anderen Kindern und Jugendlichen werden Sozialkompetenzen geschult. Und gerade im Sport treffen junge Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten aufeinander. All dies sind wichtige Bausteine auf dem Weg zur Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit, die durch formale Lernprozesse nicht aufgefangen werden können. „Die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen wurden in den vergangenen Wochen gar nicht thematisiert“, beklagt die Geschäftsführerin der Sportjugend Rheinland, Susanne Weber. Wenn diese Altersgruppe betrachtet worden sei, dann nur unter dem Aspekt der Betreuung oder der Erreichung von Abschlüssen. Beides diene nur der Produktivität. „Entweder sollen Eltern als Arbeitskraft dem System erhalten bleiben oder junge Menschen möglichst schnell in die Lage versetzt werden, selbst ins Berufsleben einzusteigen“, resümiert Weber. In diesem Zusammenhang weist die Sportjugend-Geschäftsführerin auf erste Studien hin, die belegen, dass die Corona-Beschränkungen negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben könnten (siehe Kasten). Das gesamte Ausmaß werde sich allerdings erst mit zeitlichem Abstand beurteilen lassen. So sei beispielsweise noch nicht untersucht worden, ob der Ausfall von Sportangeboten Auswirkungen auf das Gewicht und die motorischen Fähigkeiten hat. Vor diesem Hintergrund richtete die Sportjugend Rheinland gemeinsam mit dem Landesjugendring Rheinland-Pfalz und der Jugendpflege im Kreis Trier-Saarburg einen Appell an die Landesregierung, die Beschränkungen in der Jugendarbeit so schnell wie möglich aufzuheben. Inzwischen gibt es wieder Perspektiven. Neben den Sportangeboten, die bereits seit Mitte Mai möglich sind, können auch wieder Bildungsangebote in der Jugendarbeit stattfinden. In den kommenden Tagen sollen auch Veranstaltungen und Gruppenreisen unter strengen Hygienemaßnahmen möglich sein. „Doch viele Vereine zögern, ob Sie wieder Angebote für Kinder und Jugendliche durchführen sollen. Sie sehen sich in einem Dilemma zwischen dem Sportwunsch von Kindern und Jugendlichen und den erforderlichen Hygienemaßnahmen“, sagt Susanne Weber. Wie können Abstände im Kinder- und Jugendtraining eingehalten werden? Welche Gruppengrößen sind zulässig? Können Maßnahmen mit Übernachtungen angeboten werden? Wie sollen wir die Anforderungen bewältigen, wenn nicht einmal Schulen Sportunterricht anbieten? Dies sind nur einige Fragen, die der Sportjugend Rheinland in den vergangenen Wochen gestellt wurden. „Der Schutz der Gesundheit steht auch in der Jugendarbeit an erster Stelle, dennoch möchten wir Vereine ermutigen, den Kinder- und Jugendsport wieder aufzunehmen“, so Susanne Weber. „Wir dürfen den Kindern nicht weiter ihre Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten rauben. Das was sie jetzt verpassen, können sie nicht nachholen.“ Ob und in welchem Umfang Angebote möglich sind, müssten die Vereine anhand der Gegebenheiten vor Ort beurteilen. Verfügbare Sportstätten und Infrastruktur sowie die Anzahl der vorhandenen Übungsleiter müssten bei der Planung berücksichtigt werden. Hierzu gebe es verschiedene Hilfestellungen von Sportverbänden. „Für die Durchführung von Ferienangeboten haben wir zum Beispiel Leitlinien für Vereine erarbeitet und geben Tipps zur Programmgestaltung“, zeigt Weber die Unterstützungsleistungen der Sportjugend auf. Die Praxistipps können auch als Übungsformen für den Trainingsbetrieb übernommen werden.
Praxistipp:
  • Hinweise zur Umsetzung von Ferienaktionen
  • Musterhygieneplan für Ferienaktionen
  • Spieletipps auf Abstand
  • Tipps für den Trainingsbetrieb im Kinder- und Jugendbereich
 Kostenloser Download unter www.sportjugend-rheinland.de
Corona: Wie Kinder und Jugendliche leiden Die bundesweite JuCo Studie ergibt, dass „viele Jugendliche und junge Erwachsene sich alleine gelassen, verunsichert, einsam und psychisch belastet fühlen“. Rund die Hälfte der jungen Menschen gibt an, dass die eigenen Sorgen und Nöte nicht ausreichend in der öffentlichen Diskussion berücksichtigt werden. Sie wollen selbst mitreden, wenn es um ihre Zukunft geht. Zukunftssorgen sowie eine sinkende Zufriedenheit mit der verbrachten Zeit sind weitere Ergebnisse. Die Studie "Kind sein in Zeiten von Corona" des Deutsche Jugendinstituts zeigt auf, dass jedes dritte Kind zwischen drei und 15 Jahren Schwierigkeiten hat, mit der Corona-Krise zurechtzukommen. Viele Kinder fühlen sich aufgrund der Kontaktbeschränkungen einsam, dass gilt vor allem für Kindergartenkinder und Einzelkinder. Konfliktreiche Situationen in den Familien verschärfen die Lage für Kinder und Jugendliche weiterhin. In den vergangenen Wochen ist die Anzahl der Anrufe zur häuslichen Gewalt stark angestiegen. Sport mit Abstand: Vereine nehmen sich der Jugend an Dass auch Sport mit Abstand bei Kindern und Jugendlichen möglich ist, zeigen die ersten Beispiele aus Vereinen. Im Ahrweiler BC wird inzwischen wieder in allen Altersgruppen Fußball gespielt. „Die Trainer haben sich viele Gedanken gemacht und im Stadion wurden Wartezonen markiert“, berichtet Jugendleiter Gerd Treffer. „Es ist zwar mehr Vorbereitung notwendig, aber wir haben gute Erfahrungen gemacht“, so Treffer weiter. Der 1. KTC Bad Kreuznach hat sein Training auch nach draußen verlagert. Anstelle von Turnübungen haben die Übungsleiter eine Olympiade über mehrere Wochen konzipiert. „Wir haben Kleingruppen gebildet, so sind die Abstände gut zu kontrollieren“, berichtet die Vorsitzende Christiane Knoblach. Ein alternatives Angebot gibt es auch beim TuS Schwarz-Weiß Neuhochstein. Hier stehen Sportabzeichen und Fußballabzeichen auf dem Programm. „Das Training mit den Kindern lief gut, aber ein Hygienekonzept funktioniert nur, wenn die Eltern ihren Teil dazu beitragen“, resümiert Übungsleiterin Susanne Bayer die ersten Erfahrungen im Verein. In einem sind sich alle Vereine einig: Es bedeutet zwar mehr Aufwand nötig , aber das Strahlen der Kinder beim Sport ist die Mühe wert.
Zurück