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Célia Šašic: Fußballstar und Familienmensch - Teil 13 unserer Serie "Ruhmreiche Sportler"

Als Célia Šašic im Sommer 2015 das Ende ihrer Karriere bekannt gab, überraschte sie sogar Fachleute. Mit 27 Jahren war die Stürmerin im besten Fußballalter und ein lukrativer Vertrag bei einem der Topklubs Europas stand in Aussicht. Doch Šašic entschied sich gegen den Stress des Profisports und für die Familie. Ein ungewöhnlicher Abschluss einer erfolgreichen Karriere, die beim SC 07 Bad Neuenahr begann.
In 111 Spielen für die Deutsche Nationalmannschaft schoss Šašic 63 Tore und gewann zwei Europameistertitel sowie die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen. Foto: D. Brosda
Schon als kleines Kind besaß Šašic eine Affinität zu Bällen: „Beim Fußballtraining meines älteren Bruders habe ich mich immer auf die Bälle gestürzt und geweint, als man sie mir wegnehmen wollte“. Sport spielte damals eine zentrale Rolle im Leben der unter ihrem Geburtsnamen Okoyino da Mbabi bekannt gewordenen Tochter einer französischen Mutter und  eines kamerunischen Vaters: „In meiner Kindheit gab es keine Sportart, die ich nicht ausprobiert hätte.“ Die ganzen Aktivitäten der Tochter unter einen Hut zu bringen, war eine Herausforderung für die Familie. Šašic ist ihren Eltern heute noch dankbar: „Sie haben viel Zeit geopfert, um mir den Sport zu ermöglichen.“ Bundesliga beim Traditionsverein Fußball bedeute für Šašic im Jugendalter nicht nur Freude am Spiel, auch der Wettkampf und das Gewinnen reizte sie: „Es liegt in meiner Natur, dass ich alle Dinge, die ich mache, mit einem gewissen Ehrgeiz angehe.“ Und so dauerte es nicht lange, bis sie sich über diverse Vereine und Auswahlmannschaften die Perspektive auf die Bundesliga erarbeitete: „Das war nicht geplant sondern eher ein Prozess. Eines kam zum anderen und ich durfte auf einmal in die Bundesliga wechseln.“ Šašic entschied sich 2004 im Alter von 16 Jahren aufgrund der Nähe zu ihrem Heimatort Bonn für den SC 07 Bad Neuenahr. Der Verein aus der Kurstadt an der Ahr zählte zu den traditionsreichsten Vereinen des deutschen Frauenfußballs. Schon ein Jahr bevor der DFB 1970 sein Frauenfußball-Verbot aufhob, gründete der SC als einer der ersten Vereine Deutschlands seine eigene Frauenfußball-Abteilung. In den folgenden Jahr entwickelte sich das vom SC ausgerichtete „Maiturnier“ in Bad Neuenahr zu einem der größten Frauenfußballturniere. Die Bekanntheit des Vereins reichte sogar bis nach Italien, wohin der Bad Neuenahr als deutscher Vertreter zu einer inoffiziellen Frauenweltmeisterschaft eingeladen wurde. Mit der deutschen Meisterschaft 1978 erreichte der Verein den größten Erfolg seiner Geschichte. 1989 wurde der SC Gründungsmitglied der Frauenfußball-Bundesliga, welcher er über Jahre hinweg angehörte. Vor Šašic traten schon bekannte Spielerinnen wie die beiden Weltmeisterinnen Steffi Jones und Martina Müller in Bad Neuenahr an den Ball. Ein Abenteuer und ein schwerer Rückschlag In den Fußstapfen solcher etablierten Größen zu treten war für die 16-Jährige Célia ein außergewöhnliches Erlebnis: „Es war eine ganz neue Welt für mich. Und als Schülerin mit den Damen spielen zu dürfen war damals ziemlich cool.“ Die Premierensaison verlief so gut, dass sie im Januar 2005 als zweitjüngste Spielerin der Geschichte eine Einladung für die Deutsche Nationalmannschaft erhielt. „Das war ein riesiges Abenteuer. Die Spiele fanden in China unter Flutlicht statt. Dorthin war es ein zehn Stunden langer Flug, so weit bin ich damals noch nie gereist“, erinnert sich Šašic. Was zu Beginn ein aufregendes Ereignis war entwickelte sich im Verlauf der Karriere zur Routine: „Irgendwann werden Langstreckflüge zur normalen Reisedistanz. Alle drei Tage fliegt man auf ein anderes Spiel.“ Der zeitraubende Reisestress des Profigeschäftes sollte später einer der Günde für ihren Rücktritt werden. Den ersten großen Rückschlag nach meteorhaftem Aufstieg musste Šašic 2007 verkraften. Während eines Bundesligaspiels brach sich die Fußballerin das Schienbein, die sicher geglaubte WM-Teilnahme rückte in weite Ferne: „Meine erste Frage an die Ärzte war, wann ich wieder auf den Platz kann. Ursprünglich hieß es in drei Monaten. Dann verzögerte sich die Heilung Monat für Monat.“ Wie ihre Kolleginnen im fernen China den Weltmeistertitel feierten, verfolgte sie am Fernseher. Insgesamt konnte sie länger als ein halbes Jahr nicht spielen. Zweifel an ihrem Comeback hatte sie jedoch nie: „Die Reha war harte Arbeit, aber ich hatte ein gutes Umfeld, was die Leidenszeit enorm erleichterte.“ Titel und Enttäuschungen Bei ihrem Comeback hat Šašic die Olympischen Spiele 2008 bereits im Hinterkopf. Das Turnier sollte ebenfalls ein Abenteuer werden. In der Vorrunde spielte Šašic in den selben Stadien wie die männlichen Fußballstars. Aber erst ab dem Halbfinale, als das Team endlich in Peking spielte, stellte sich das olympische Feeling ein: „Als wir dann im olympischen Dorf gelebt haben war das ein unglaubliches Gefühl. Dort ist man mit tausenden anderen Menschen zusammen, die genau wie du Leistungssportler sind.“ Der Traum von der Goldmedaille erfüllt sich nicht, aber im kleinen Finale erspielte sich das deutsche Team Bronze. „So eine Medaille will jeder mal in der Hand halten“, beschreibt Šašic den Stellenwert des Erfolges. Direkt nach dem Turnier musste sie noch einmal unter das Messer, eine Spätfolge ihrer Verletzung. Auch große Teile der anschließenden
Saison verpasste sie durch die Operation. Doch wie ein Jahr zuvor schaffte sie das Comeback rechtzeitig zur Europameisterschaft 2009 und gewann mit dem deutschen Team das Turnier.
Ein Erfolg, den sie 2013 wiederholen sollte. Die Heimweltmeisterschaft 2011 sollte ein weiterer Höhepunkt ihrer Karriere werden. Eine ungewohnte Aufmerksamkeit von Medien und Fans prasselte auf die Spielerinnen ein. Das Eröffnungsspiel fand im ausverkauften Berliner Olympiastadion statt. „Normalerweise kann man sich im Frauenfußball auf dem Platz unterhalten. Bei der WM haben wir uns nicht verstanden“,
beschreibt die Stürmerin die Atmosphäre. Nervös wurde sie allerdings nicht: „Sobald die Schiedsrichterin anpfeift, zählt nur noch das Spiel.“ Nach einer perfekten Vorrunde zerschlugen sich die Hoffnungen der Nationalmannschaft in der Nachspielzeit des Viertelfinals gegen Japan. Eine Enttäuschung für Šašic: „Das Ausscheiden war bitter, weil wir uns etwas ganz anderes vorgenommen haben. Auf einmal ist alles vorbei. Das muss man erst einmal ein paar Tage
lang verarbeiten.“ Ein Abschied auf höchstem Nivau Insgesamt neun Jahre ihrer Karriere verbrachte Šašic beim SC 07 Bad Neuenahr, obwohl sie bessere Angebote von anderen Vereinen hätte annehmen können. „Bad Neuenahr war immer mein Verein, hier habe ich mich wohlgefühlt. Und nur wenn man sich wohlfühlt kann man gute Leistungen bringen“, erklärt die in Koblenz heimisch gewordene Stürmerin, warum sie dem SC so lange treu blieb. Umso schwerer fiel es Šašic den Verein zu verlassen, als Bad Neuenahr im Jahr 2013 Insolvenz anmelden musste: „Gerade bei so einem familiären Klub bekommt man mit, welche Schwierigkeiten es hinter den Kulissen gibt.“ Der Verein musste sich als SC 13 Bad Neuenahr neu gründen und spielt heute in der Regionalliga. Šašic entschied sich beim prestigeträchtigen 1. FFC Frankfurt anzuheuern. „Im Training spielte man jeden Tag gegen Weltklassefußballerinnen. Das war schon eine Umstellung“, beschreibt Šašic den Kontrast zu ihrer alten sportlichen Heimat. Mit Frankfurt sollte sie 2014 den DFB-Pokal und 2015 sogar den Champions-League Titel in Berlin erringen. Nach dem höchsten Titel im Vereinsfußball wollte Šašic im gleichen Jahr auch den Weltmeistertitel in Kanda gewinnen. Als beste Torschützin des Turniers verschoss sie im Halbfinale einen entscheidenden Elfmeter gegen die USA. Der verpassten Chance weint sie aber nicht hinterher: „Natürlich wäre ich gerne Weltmeisterin geworden. Aber so ist der Sport: Man kann seine beste Leistung bringen und trotzdem verlieren. Deshalb definiere ich meine Karriere nicht über Titel, sondern über den Spaß am Spiel und Erlebnisse mit Menschen auf oder neben dem Platz.“ Kurz nach der Weltmeisterschaft gibt sie ihre wohlüberlegte Entscheidung zum Rücktritt bekannt.  Den Entschluss den Profisport für die Familie aufzugeben, bereut sie keinen Augenblick: „Familie bleibt ein Leben lang. Das ist wichtiger als die Dinge, die kommen und wieder gehen.“ Letztes Jahr brachte Šašic eine kleine Tochter zur Welt. Mittlerweile überlegt sie sich auf den Fußballplatz zurück zu kehren, allerdings nicht im professionellen Bereich. Denn die Zeit für die Familie ist ihr wichtiger. Felix Schönbach
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