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„Ich habe die Vision von spielenden Kindern auf grünem Rasen“

Interview mit Gerd Treffer, Jugendleiter vom Ahrweiler BC, zum aktuellen Stand des Wiederaufbaus nach der Flut
Foto: privat

Gerd Treffer ist ein vielbeschäftigter Mann. Pausenlos wird der Jugendleiter des Ahrweiler BC (ABC) angesprochen, wenn er sich auf der Sportanlage rund um das Apollinarisstadion in Bad Neuenahr bewegt. Und wenn er gerade nicht persönlich angesprochen wird, klingelt sein Handy. Er beantwortet alle Fragen, organisiert den Trainings- und Spielbetrieb und ist der erste Ansprechpartner für die Jugendspieler, Eltern und Trainer des ABC.

Von diesem außergewöhnlichen Engagement konnte sich auch Monika Sauer, Präsidentin des Sportbundes Rheinland (SBR), überzeugen, als sie sich beim Ortstermin im Apollinarisstadion ein Bild über den Fortschritt des Wiederaufbaus nach der Flutkatastrophe im Ahrtal machen wollte. Die Auswirkungen der Flut haben das Pensum, das Gerd Treffer für den ABC leistet, noch einmal deutlich erhöht. Für seinen Einsatz beim Wiederaufbau im Sportbereich nach der Flut erhielt Treffer erst kürzlich im Rahmen der Verleihung des Sport-Obelisken in Mainz eine Sonderehrung aus den Händen des ehemaligen Sportministers Roger Lewentz.

Bei unserem Besuch in Bad Neuenahr und der Besichtigung der Sportstätten hatte man den Eindruck, du bist der Mann für alle Angelegenheiten – permanent kommen Menschen mit Fragen auf dich zu, dein Handy klingelt pausenlos – ist das eine Folge der Situation oder war das schon immer so?

Ich habe schon immer viel gemacht im Verein, aber so extrem ist es erst seit der Flut. In erster Linie regle ich für unsere 21 Jugendmannschaften den Trainings- und Spielbetrieb. Das ist natürlich ein riesiger organisatorischer Aufwand, da wir seit der Flut keine eigene Sportstätte mehr haben. Dadurch ergibt sich fast jeden Tag eine neue Situation und wir sind oft zur Improvisation gezwungen. Dazu habe ich auch die Bauleitung beim Wiederaufbau unseres Vereinsheims übernommen. Auch da ist eine längerfristige Planung kaum möglich. Das, was man heute plant, ist oft morgen schon wieder hinfällig. So bin ich dann jeden Tag viel am Handy, damit alles irgendwie funktioniert. Bisher hat es geklappt, ich hoffe, dass das auch weiterhin so ist.

Fast eineinhalb Jahre sind seit der Flutkatastrophe vergangen: Wie schätzt du den Fortschritt des Wiederaufbaus zum jetzigen Zeitpunkt in Sachen Sportinfrastruktur ein?

In Bezug auf die Sportstätten ist das für mich die Katastrophe nach der Katastrophe. Aus unserer Sicht eines Fußballvereins ist die Situation völlig unbefriedigend. Uns wurde zum Beispiel gesagt, dass einer von drei Sportplätzen in Bad Neuenahr nach diesem Sommer fertig sein könnte. Die Arbeiten daran haben aber erst vor kurzem begonnen, sodass der Platz jetzt frühestens im Frühjahr fertig ist. Wir können uns da auf nichts verlassen und dementsprechend nichts planen. Für mich ist das alles andere als positiv. Bei der aktuellen Geschwindigkeit werden wir hier im Ahrtal vielleicht irgendwann die wunderschönste Sportlandschaft haben, aber dann vielleicht keine Vereine mehr. Das soll aber auf keinen Fall ein Vorwurf an jemanden persönlich sein.

Besonders positiv ist aber die großartige zivile Unterstützung. Auch den Fußballverband und den Sportbund Rheinland muss ich da ausdrücklich loben. Durch die Unterstützung von DFB und der Stiftung des Fußballverbandes Rheinland ist es uns gelungen, ein Kleinspielfeld in Bad Neuenahr aufzubauen. Das hat eine besondere Symbolik und gibt uns allen Kraft, weil hier endlich mal etwas fertiges geschaffen wurde. Dank dieser Unterstützung, auch von Vereinen wie „Die AHRche“, können aktuell Projekte umgesetzt werden, die im Normalbetrieb kaum möglich wären. So konnten wir zum Beispiel kurzfristig ein Flutlicht für das Kleinspielfeld organisieren.

Was würdest du dir von der öffentlichen Hand jetzt – eineinhalb Jahre nach der Flut wünschen?

Die Politiker, die im Ahrtal waren, haben versprochen, dass alles schnell und unbürokratisch geht. Das ist leider nicht so. Ich würde mir wünschen, dass sie jetzt endlich ihr Wort halten. Dabei geht es mir nicht nur um den Fußball. Vor allem sollen die Kinder in dieser Stadt wieder Bewegungsräume bekommen. Für die Kinder ist es unheimlich wichtig, dass sie mal für ein paar Stunden den Kopf frei bekommen nach der Corona-Zeit und den teilweise traumatischen Erlebnissen bei der Flut.

Man muss immer davon ausgehen, dass es auch für die Verantwortlichen in der Politik oder in den Behörden eine Extremsituation ist, die man so noch nicht kannte. Hast du den Eindruck, dass da ein Lernprozess stattfindet?

Ich habe eher den Eindruck, dass die Politik auf der Stelle tritt. Wir wissen zum Teil bis heute nicht, ob ein Sportplatz überhaupt wieder aufgebaut wird. Genau wie uns fehlt vielen Vereinen eine Perspektive, auch weil es oft keine definitive Antwort auf Anfragen gibt. Die lokalen Behörden können diese Antworten zum Teil auch gar nicht geben, weil sie selbst ewig warten müssen, bis Anträge genehmigt werden. Das Problem liegt meiner Meinung nach also auf Landesebene. Die ganze Situation ist für uns sehr ermüdend.

Wir dürfen dich mal zitieren: Beim Sportkreistag in Ahrweiler sagtest du: „Wenn es nur um mich gegangen wäre, wäre ich nicht nach Mainz zur Preisverleihung gefahren”. Was meintest du damit?

Den Preis habe nicht nur ich verdient, sondern auch genügend andere. Wenn viele Menschen etwas Gutes tun, ist es immer ein Problem einzelne daraus hervorzuheben. Dabei fühle ich mich nicht wohl, weil viele andere sich genauso engagieren. Außerdem wollte ich damit meine Unzufriedenheit mit der Landespolitik zum Ausdruck bringen. Schlussendlich bin ich nicht für mich, sondern stellvertretend für die ganze Region nach Mainz gefahren, auch weil es sich insgesamt wahrscheinlich eher nachteilig ausgewirkt hätte, so eine Ehrung auszuschlagen.

Man hat den Eindruck, dass deine Energiereserven unerschöpflich sind – wo nimmst du die Kraft dafür her?

Diese Arbeit kann man nur machen, wenn man eine Vision hat. Vor meinem geistigen Auge sehe ich ein Apollinarisstadion, das grün ist, wo die Plätze voll mit spielenden Kindern sind und wo einfach wieder Leben ist. Außerdem hängt mein Herz sehr am Ahrweiler BC. Der Verein ist für mich so etwas wie eine Familie. Ich bin seit über 50 Jahren Mitglied und hatte eine wunderschöne Jugend im Verein und mit dem Fußball verbracht. Das möchte ich auch meinen 350 Kinder und Jugendlichen, die ich alle persönlich kenne, ermöglichen.

Das Interview führten Stefan Blaufelder-Bredenbeck und Dominik Stuntz

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